Sprachentwicklung von unten - das „Spätneuhochdeutsche”
Die Zukunft der deutschen Sprache wird sei ca. 1950 weniger von den Gelehrten geprägt als von den populären Medien
Die Mundart war die erste Sprache in einer stark ständisch gegliederten Gesellschaft
Schriftsprache vom Bildungs-Bürgertum geprägt – das existiert heute nur noch in Resten
Was im Druck erschien, trug das Gütesiegel des Berufsstandes der Druckerei-, Verlags- und Zeitungskorrektoren
Seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts ist der Berufsstand der Korrektoren ausgestorben.
Mobilität - heimatsprachlich entwurzelte und standardsprachlich aufgewachsene Bevölkerung
Dialektgebiete verlieren ihre Geschlossenheit, Dialekte sterben wie Pommern Schlesien
Mehr heimatsprachlich entwurzelte und standardsprachlich aufgewachsene Bevölkerung
Angleichung der Dialekte an Standardsprache, Angleichung der Redesprache an Schreibsprache
Ausgleich zwischen den Stilebenen - Generalverdacht gegen rhetorisches Pathos.
Generationenwechsel in den 1960er Jahren, Demokratisierung von unten
Massenmedien – seit 1890 Zeitungen neuhochdeutsche Schriftsprache
Masseneinfluss von oben, spiegeln dann aber Einfluss von unten
Nachrichtenmeldungen, Rundfunkvorträge pflegen „konzeptionellen Schriftlichkeit“
Spielfilme oder Daily Soaps, Livesendungen, Talkshow „konzeptionellen Mündlichkeit“
Am unteren Rand des Stilspektrums lässt sich hingegen beobachten, dass viele noch bis vor kurzem als derb, schmutzig oder unanständig empfundene Wörter nach und nach salonfähig werden. Adjektiv „geil“
Die Dialekte verschwanden weitergehend, vollkommen verschwanden sie mit der Medienentwicklung im 20. Jahrhundert – im Fernsehen lernten alle, die nicht (viel) lesen möchten, die vereinheitlichte Sprache. Heute noch verlernen Kinder ihre mütterlichen Sprachen - in Österreich über das Fernsehen (und weitere elektronische Medien) lernen sie hochdeutsch und in Schweden z.B. englisch.
Einflüsse:
1. Migration: Stadt Berlin ist mit ca. einer Million türkischer Einwohner die weltweit viertgrößte türkische Gemeinde (nach Istanbul, Ankara und Izmir
„Kanak Sprak" (Zaimoglu 1995).
2. elektronische Kommunikation mittels der so genannten neuen Medien - „Cyberslan“
Mit den sozialen Medien kommt ein Prozess „von unten nach oben“ in die Sprachentwicklung. Worte aus der Alltagssprache, die für bildungsbürgerliche Schichten tabu waren, setzen sich durch („geil“). Die Bedeutung von Worten wird ausgeweitet („Rassistisch“). Das Gendern ist ein Prozess, der von konservativen Sprechern eher ablehnend betrachtet oder unwillig übernommen wird.
3. Globalisierung : Englisch, europäische Integration.
Angloamerikanische Einfluss nimmt zu
Da auch die Wissenschaftssprache zunehmend englisch wird, verliert das Hochdeutsche wichtige akademischen Verfechter. Literaturwissenschaftler (wie Jürgen Trabant) stehen auf verlorenem Posten.
Mit Hartmut Schmidt (2002) könnte man von „Spätneuhochdeutsch" sprechen.
Lit.: Jochen A. Bär, Die Zukunft der deutschen Sprache (2009) Hartmut Schmidt, Frühneuhochdeutsche Zustände im Spätneuhochdeutschen? In: Das Wort. Seine strukturelle und kulturelle Dimension. Festschrift für Oskar Reichmann zum 65. Geburtstag. Hrsg. v. Vilmos Ägel/Andreas Gardt/Ulrike Haß-Zumkehr/Thorsten Roelcke. Tübingen, 321-342 (2002)
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