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„Heil Hitler! Ihr ergebener Heidegger.“
Notizen zu Martin Heidegger
2023
An dem Philosophen Martin Heidegger scheiden sich die Geister – die einen halten ihn für einen großen Philosophen des 20. Jahrhunderts (1), die anderen für einen „prätentiösen alter Schwätzer aus dem Schwarzwald“ und – „Heil Heidegger“- einen geistigen Wegbereiter des Nationalsozialismus (2).
Klar sollte sein: Man kann Martin Heidegger nicht als Denker würdigen, ohne seine verstörende Verstrickung in den Nationalsozialismus als praktischen Teil seines Denkens zu begreifen. Und die entwürdigende und sexistische Ausnutzung seiner halb so alten Studentin Hannah Arendt als andere Seite seiner Persönlichkeit. (3)
Zeitgenossen haben sich von seiner besonderen Sprache faszinieren – und blenden lassen. Aber die ungewöhnliche Sprache, die ungewöhnliche Erkenntnisse versprach, war Ausdruck eines eitlen Geniekultes. Offenbar hat sich Heidegger selbst darin so berauscht, dass er nicht in der Lage war, sein in „Sein und Zeit“ begonnenes Gedankengebäude zu Ende zu denken. Mit etwas weniger Genieverdacht gegen sich selbst hätte er vielleicht auch sein politisches Engagement und seine ausgesprochen dumpfen politischen Äußerungen insbesondere aus den Jahren 1933/34 kritisch überdenken können. Jeder klar denkende Zeitgenosse muss die Frage aufwerfen, in welchem Verhältnis Heideggers Philosophie zu der Machtpolitik des Nationalsozialismus stand, die er so euphorisch unterstützt hat.
So bleibt, dass Heidegger bis zu seinem Tode 1976 geschwiegen hat – nicht nur zu der erzwungenen Emigration seines Lehrers, des Juden Edmund Husserl, und seines großen Kontrahenten Ernst Cassirer. Bis zuletzt hat er offensichtlich auch die Judenvernichtungen nicht für ein Menschheits-Verbrechen gehalten, von dem er als NSDAP-Mitglied sich distanzieren müsste. Genies können eben nicht irren – so hat ihn sein Genieverdacht gegen sich selbst zeitlebens daran gehindert, mit einem Anflug von Selbstkritik auf das Phänomen der banalen Existenz des Martin Heidegger zu blicken.
Der Psychoanalytiker Anton M. Fischer hat aus dem historischen Abstand im Jahre 2008 ein Psychogramm Heideggers versucht und eine „narzisstischen Persönlichkeitsstörung“ diagnostiziert, als deren Ursache er persönliche Kränkungen und ein mehrfaches Scheitern in seiner Jugend vermutet. (4) Die Diagnose könnte immerhin erklären, wie ein anerkannter Denker gleichzeitig so ein „niedriger Mensch“ sein kann (so Hans Jonas in: „Husserl und Heidegger“) oder warum die Frau, die ihn am besten gekannt haben dürfte, Hannah Arendt, ihn für einen armseligen, charakterlosen Menschen hielt. Der Philosoph Ernst Tugendhat, der der in jungen Jahren von Heidegger fasziniert war, hat ihm reifen Alter auf die Frage, ob er denn gar nichts entdecken könne, womit Heidegger die Philosophie vorangebracht hätte, nach kurzem Zögern geantwortet: „Nein, da kann ich nichts finden“. (5)
Heidegger als Denker des Faschismus
Heidegger, geboren 1888 in Messkirch, ist aufgewachsen in einer konservativen bäuerlichen Welt. Sein Vater war Theologe und stritt engagiert gegen die Infragestellung der Unfehlbarkeit des Papstes. Heidegger wollte den Erwartungen seiner frommen Mutter entsprechen, nach seinem Abitur trat er in Feldkirch (Vorarlberg) als Novize in den Jesuitenorden ein. Aber er verließ das Kloster schon nach einem Monat wieder – angeblich wegen Herzbeschwerden. Fischer formuliert die Vermutung, dass er zurückgewiesen wurde – eine erste Kränkung. Das Theologiestudium beendete er dann wegen ebenfalls mit der Begründung nervöser Herzbeschwerden. Das Philosophie-Studium belastete sein Herz offenbar weniger - Heidegger habe sich zu einem vom Ressentiment zerfressenen „gottlosen Priester“ entwickelt, konstatiert sein posthumer Psychotherapeut Fischer.
Heidegger übernahm von seinem Vater die Ablehnung der Moderne wie der modernen Wissenschaften von der Gesellschaft, er nahm die zeitgenössische Soziologie und Psychologie für seine Überlegungen über den Menschen nicht zur Kenntnis. Er wandte sich ganz der antiken Philosophie zu. Für Heidegger gab es nur den denkenden Einzelgänger und die Masse. Dabei bezieht er sich aber nicht auf Gustave Le Bon und dessen 1895 formulierte „Psychologie der Masse“ (6). Er ignoriert offenbar auch die soziologische Diskussion über den Begriff der „Gemeinschaft“ so wie Helmuth Plessners 1924 erschienene Studie über die „Grenzen der Gemeinschaft“ (7).
Heidegger theoretisiert die Masse rein philosophisch als „Man“. (8) Für Heidegger entsteht das „Ich“ nicht in Austausch mit den Du, wie es Martin Buber 1923) so wunderbar beschrieben hatte (9), sondern aus dem einsamen Denken – und Heidegger inszeniert sich als einsamer Denker (10). Die Menschen, die vom „Man“ beherrscht sind, haben kein „eigentliches“ Leben, haben keine „Eigentlichkeit“. Geschichtsmächtig werden sie als gebündelte Masse, als „fasces“. Diese gebündelte Masse bedarf natürlich eines Führers, den sieht Heidegger in Adolf Hitler.
In der abstrakten Gegenüberstellung von den wenigen „eigentlichen“ Menschen und der Masse des „Man“ liegt die Nähe von Heideggers Philosophie und dem Faschismus. Die zeitgenössische Sozialtheorie thematisierte Gemeinschaften und Gesellschaft, schon Ernst Mach hatte 1885 festgestellt, dass das abstrakte philosophische „Ich unrettbar“ sei, eine Illusion. Zum Ich gehört alles, „was fühlbar, hörbar, sichtbar, tastbar ist“ (Mach), und dazu gehört das „Du“ der engen familiären Gemeinschaften wie der gesellschaftlichen Kreise, an denen ein Mensch teilnimmt. Wenn Heidegger die „Eigentlichkeit“ des Menschen auf das Denken reduziert, wertet er gleichzeitig die Masse Mensch ab. Diese vom „Man“ bestimmte Masse Mensch kann nicht demokratisch die Geschicke des Staates selbst bestimmen, sie muss geführt werden.
Es ist auffallend, dass auch Heidegger-Schüler, die sich politisch ganz anders orientieren (etwa Jean-Paul Sartre oder Herbert Marcuse), kein positives Verhältnis zur Demokratie hatten. Sartre, der Heidegger-Bewunderer, ist in den 1950er Jahren zum Stalin-Anhänger konvertiert und Marcuses „eindimensionaler Mensch“ erscheint wie eine moderne Variante des Heideggerschen „Man“.
Heideggers Antisemitismus
Heideggers Antisemitismus war kein banales Ressentiment. Peter Trawny, Herausgeber der „Schwarzen Hefte“, sagte dazu, sein Antisemitismus habe Heidegger „so von seinem Weg abgebracht, dass er dann tatsächlich auch philosophisch dummes Zeug geredet hat.“ Die eindeutig antisemitischen Sätze aus den „Schwarzen Heften“ wirken auf Philosophen, die Heidegger retten wollen, irritierend. Peter Trawny: „Dass Heidegger den moralischen Charakter der Situation ignoriert, das Offenbare, dass Männer, Frauen und Kinder aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Judentum ausgelöscht wurden, das war und ist für mich schwer erträglich.“
Dabei war Heidegger so banal antisemitisch wie der Zeitgeist. Er wollte das „deutsche“ Geistesleben gegen die Moderne verteidigen und für die Moderne standen für ihn „die Juden“. Im Jahre 1929 schrieb er zu einem Stipendium für den Studenten Eduard Baumgarten: „Es geht um nichts Geringeres als um die unaufschiebbare Besinnung darauf, daß wir vor der Wahl stehen, unserem deutschen Geistesleben wieder echte bodenständige Kräfte und Erzieher zuzuführen oder es der wachsenden Verjudung im weiteren u. engeren Sinne endgültig auszuliefern.“
Seit April 1933 hatten NS-Studenten der Universität München die Entlassung des jüdischen Neukantianers Richard Hönigswald gefordert, doch die Verantwortlichen der Fakultät hatten sich geweigert, dem nachzukommen. Daraufhin bat das Bayerische Kultusministerium Heidegger um eine Stellungnahme. Heidegger dient sich willig an und formuliert ein vernichtendes Gutachten: „Hönigswald kommt aus der Schule des Neukantianismus, der eine Philosophie vertreten hat, die dem Liberalismus auf den Leib zugeschnitten ist. Das Wesen des Menschen wurde da aufgelöst in ein freischwebendes Bewusstsein überhaupt und dieses schließlich verdünnt zu einer allgemein logischen Weltvernunft. Auf diesem Wege wurde unter scheinbar streng wissenschaftlicher philosophischer Begründung der Blick abgelenkt vom Menschen in seiner geschichtlichen Verwurzelung und in seiner volkhaften Überlieferung seiner Herkunft aus Boden und Blut. … Heil Hitler! Ihr ergebener Heidegger.“
Am 1. Mai 1933 ist Heidegger der NSDAP beigetreten. (Bis 1945 bezahlte er brav seine Mitgliedsbeiträge.) „Wie soll ein so ungebildeter Mensch wie Hitler Deutschland regieren?" fragt Karl Jaspers ihn bei seinem letzten Besuch im Mai 1933. Heidegger habe darauf geantwortet: „Bildung ist ganz gleichgültig... sehen Sie nur seine wunderbaren Hände an!“ Ein dummer Spruch. Offenbar wollte Heidegger einer Diskussion ausweichen. (11)
Mit Erst Cassirer hatte Heidegger 1929 in Davos ein großes Streitgespräch gehabt (12). Im Februar 1933 emigrierte der Jude Cassirer – hat der Vorgang Heidegger beschäftigt? Hat ihn das zum Nachdenken gebracht? Offenbar nicht. Ebenso wenig wie die Emigration seines großen Lehrers Edmund Husserl.
Wie wurde Heidegger im April 1933 Rektor?
Der Mediziner Wilhelm von Möllendorff war im Dezember 1932 zum Rektor der Freiburger Universität gewählt worden. Er übernahm das Amt am 15. April 1933. Anfang April waren auf Anordnung der badischen Regierung alle jüdischen Universitätsbediensteten zwangsweise beurlaubt worden. Möllendorff und andere Professoren hatten versucht, die Durchführung dieses Erlasses zumindest zu verzögern. Dafür wurde der neue Rektor Möllendorff gleich nach Amtsantritt attackiert. Unter der Überschrift „Herr von Möllendorff als Rektor der Universität unhaltbar“ hieß es in der nationalsozialistischen Studentenzeitschrift Alemannen am 18. April: „Wir können es uns auch nicht vorstellen, wie eine Sphäre des Vertrauens zwischen Herrn Professor von Möllendorff und der überwiegend nationalsozialistisch eingestellten Studentenschaft entstehen kann. (…) Herrn Prof. Möllendorff legen wir nahe, die Gelegenheit zu benutzen und einer Neuordnung der Hochschule nicht im Wege zu stehen.“
Am 20. April erklärte Möllendorff seinen Rücktritt. Tags darauf wurde Heidegger gewählt, einstimmig, wie er sich später erinnerte. Allerdings fehlten die 13 Stimmen der jüdischen Professoren, die waren inzwischen wegen der Rassegesetze beurlaubt und durch nicht-jüdische Kollegen ersetzt worden.
Als neuer Rektor der Universität Freiburg hat Heidegger im Mai 1933 entschieden, die Rede Hitlers zum Austritt aus dem Völkerbund in das Universitätsstadion übertragen zu lassen. Warum?
„Der Kanzler des Reiches, unser großer Führer, hat gesprochen. Die anderen Nationen und Völker sollen jetzt entscheiden. Wir selbst sind entschieden. Wir sind entschlossen, den schweren Gang unserer Geschichte zu gehen, der von der Ehre der Nation und der Größe des Volkes gefordert ist. (…) Bereitschaft und Kameradschaft. Unserem großen Führer Adolf Hitler ein deutsches Sieg Heil.“ (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Friedensrede_vom_17._Mai_1933)
Die feierliche Amtsübernahme, in deren Zentrum Heideggers Antrittsrede stand, fand am 27. Mai 1933 statt und wurde von dem designierten Rektor Heidegger selbst im Detail vorbereitet. Dazu forderte Heidegger von Freiburgs NS-Oberbürgermeister Kerber zur Erweiterung des Orchesters der Universität noch 45 Musiker an, „um der diesjährigen Feier einer der Zeit entsprechenden Ausdruck zu verleihen.“ Schon am 23. Mai hatte Heidegger schriftlich kommuniziert, dass nach der Antrittsrede das Horst-Wessel-Lied gesungen werden sollte, mit erhobener rechter Hand bei der Wiederholungsstrophe und gefolgt von dem Ruf „Sieg Heil“. Daraufhin verbreitete sich unter den Professoren eine gewisse Abneigung, weshalb Heidegger mitteilte, dass das Hochheben der Hand „nicht die Bekundung der Zugehörigkeit zur NSDAP“, sondern der Zugehörigkeit zur „nationalen Erhebung“ bedeute. Schließlich einigte man sich darauf, die rechte Hand nur bei der vierten Strophe zu heben. „Die Führerrolle des Rektors und der Dekane“ wurde dann „durch Einzelheiten des Festzuges vorgeschrieben. Erstmals sollten die Dekane allein einen Schritt vor den jeweiligen Fakultäten einherschreiten“, schreibt Bernd Martin (in: Die Universität Freiburg im Breisgau im Jahre 1933, Eine Nachlese zu Heideggers Rektorat, Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Heft 136, 1988)
Als der Dekan Erik Wolf aus seinem Amt ausscheiden wollte, nahm Heidegger den Rücktritt nicht an, sondern schrieb im Dezember 1933: „Der bestimmende Grund und das eigentliche nur schrittweis zu erreichende Ziel ist seit dem ersten Tage meiner Amtsübernahme der grundsätzliche Wandel der wissenschaftlichen Erziehung aus den Kräften und Forderungen des Nationalsozialistischen Staates... Der Einzelne, wo er auch stehe, gilt nichts. Das Schicksal unseres Volkes in seinem Staat gilt alles.“
Heidegger, philosophisch über der Wirklichkeit schwebend
Heidegger glaubte in höheren Welten zu schweben. Die nationalsozialistische Revolution elektrisierte ihn philosophisch, wie Rüdiger Safranski über den „Meister aus Deutschland” schreibt. Wie sich das anhörte? Etwa am 4. Mai 1933 in Heideggers erster Vorlesung seit seiner Wahl zum Rektor, zum Thema „Die Grundfrage der Philosophie und das Grundgeschehen unserer Geschichte. Der geistig-politische Auftrag als Entscheidung zur Grundfrage“: „Das deutsche Volk im Ganzen kommt zu sich selbst, d. h. findet seine Führung. In dieser Führung schafft das zu sich selbst gekommene Volk seinen Staat. Das in den Staat sich hineingestaltende, Dauer und Stetigkeit stiftende Volk wächst hinauf zur Nation. Solches Volk erringt sich seinen geistigen Auftrag unter den Völkern und schafft sich seine Geschichte. Dieses Geschehen langt weit hinaus in das schwere Werden einer dunklen Zukunft. Und bei diesem Werden ist die akademische Jugend schon mit im Aufbruch und sie steht zu ihrer Berufung. Und das bedeutet: Sie lebt aus dem Willen, die Zucht und die Erziehung zu finden, die sie reif und stark macht zu der geistig-politischen Führerschaft, die ihr künftig aus dem Volk für den Staat in der Welt der Völker aufgetragen werden soll. Alle wesentliche Führung lebt aus der Macht einer großen, im Grunde verborgenen Bestimmung. Und diese ist erstlich und letztlich der geistig-volkliche Auftrag, den das Schicksal einer Nation vorbehalten hat. Das Wissen um diesen Auftrag gilt es zu wecken und einzuwurzeln in Herz und Willen des Volkes und seiner Einzelnen.“
In der Vorlesung „Vom Wesen der Wahrheit“, im Wintersemester 1933/34 gehalten, doziert Heidegger bezüglich des Fragmentes 53 von Heraklit über Kampf und Krieg: „Feind ist derjenige und jeder, von dem eine wesentliche Bedrohung des Daseins des Volkes und seiner Einzelnen ausgeht. Der Feind braucht nicht der äußere zu sein, und der äußere ist nicht einmal immer der gefährlichere. Und es kann so aussehen, als sei kein Feind da. Dann ist die Grunderfordernis, den Feind zu finden, ins Licht zu stellen oder gar erst zu schaffen, damit dieses Stehen gegen den Feind geschehe und das Dasein nicht stumpf werde. Der Feind kann in der innersten Wurzel des Daseins eines Volkes sich festgesetzt haben und dessen eigenem Wesen sich entgegenstellen und zuwiderhandeln. Umso schärfer und härter und schwerer ist der Kampf, denn dieser besteht ja nur zum geringsten Teil im Gegeneinanderschlagen; oft weit schwieriger und langwieriger ist es, den Feind als solchen zu erspähen, ihn zur Entfaltung zu bringen, ihm gegenüber sich nichts vorzumachen, sich angriffsfertig zu halten, die ständige Bereitschaft zu pflegen und zu steigern und den Angriff auf weite Sicht mit dem Ziel der völligen Vernichtung anzusetzen.“ (13)
Anmerkungen und Erläuterungen:
(1) Der Freiburger Philosoph Günter Figal, Vorsitzender der Heidegger-Gesellschaft mit Sitz in dessen Geburtsort Meßkirch, erklärt, der Antisemitismus sei Teil von Heideggers Leben, aber: „Das Hauptwerk, die Philosophie, ist davon jedoch weitgehend unberührt.“ Wenn man die Heidegger-Verehrer daraufhin befragt, was denn das einzigartig Wertvolle an der Heideggerschen Philosophie sei, wird man mit einigen Sätzen in seiner nebulösen Terminologie konfrontiert. Sein Engagement für den Nationalsozialismus habe mit seiner philosophischen Theorie nichts zu tun. Wirklich? Kann so etwas sein? (Vgl. dazu Otto Pöggeler, Den Führer führen? Heidegger und kein Ende, in: Philosophische Rundschau 32, 1985) Eine verschrobene Sprache als Habitus und Imponier-Gehabe war zu Lebzeiten Heideggers allerdings nicht so ungewöhnlich. Theodor Adorno, der den „Jargon der Eigentlichkeit“ kritisierte, pflegte selbst einen spezifischen Jargon, an dem man seine Jünger bis heute erkennt. Der Literaturwissenschaftler Silvio Vietta ist ein besonderes Beispiel der Heidegger-Apologie. Er kannte Heidegger persönlich, der Philosoph war mit seinen Eltern befreundet. Vietta: „Heidegger hat eine Brücke geschlagen von der Antike bis zur Gegenwart, in der er Entwicklungen unseres europäischen Denkens angedacht und damit einen roten Faden gelegt hat durch die Geschichte des Denkens über 2500 Jahre. Das ist eine gewaltige Leistung." Mit der Frage nach dem Sinn des Seins habe Heidegger eine Schlüsselfrage der Philosophie des 20. Jahrhundert gestellt. In seinem Buch „Etwas rast um den Erdball. Heidegger: Ambivalente Existenz und Globalisierungskritik“ (2015) schreibt Vietta, Heidegger habe nur irrtümlich geglaubt, er könne seiner Seinsphilosophie mit Hilfe der Nazis mehr Resonanz verschaffen. Das spricht für Vietta aber nicht gegen die Seinsphilosophie, sondern soll Heideggers politische Nähe zu den Nazis als Opportunismus rechtfertigen. Und Heideggers Antisemitismus? Das, so Vietta, sei nicht „biopolitischer Rassismus“ gewesen, sondern als eine Form legitimer „Kulturkritik“ an bestimmten jüdisch-kapitalistischen Funktionsträgern.
(2) Carlin Romano, der renommierte Mitarbeiter des „Chronicle of Higher Education", hat das in einem Essay, den er einfach "Heil Heidegger!" überschrieb, formuliert. Der Philosoph sei ein "prätentiöser alter Schwätzer aus dem Schwarzwald" gewesen, der „zu seiner besten Zeit überschätzt wurde und seltsamerweise noch immer von Gefolgsdienern verehrt wird".
(3) Antonia Grunenberg, Hannah Arendt und Martin Heidegger. Geschichte einer Liebe (2006)
Heidegger ignorierte, dass der Mensch ein auf das Du angelegtes und angewiesenes Wesen ist.Seine Beziehungen zu seiner Ehefrau Elfreide wie zu Konkubinen wie Hannah Arendt u.a. waren rein instrumentell.
Seine Schülerin Hannah Arendt schrieb über Augustinus und die Liebe ihre Doktorarbeit bei ihm – verschwurbelt in Augustinus-Zitaten badend wie eben auch Heidegger.
Sie traute sich nicht den Gedanken zu denken, dass Heidegger ebenso instrumentell zu Frauen verhielt wie Augustinus. (Augustinus hatte für anderthalb Jahrzehnte eine Konkubine, von der er in seinen „Bekenntnissen“ noch nicht einmal den Namen sagt. Er verließ sie für eine „standesgemäße“, durch seine Mutter - die „Heilige“ Monika - vermittelte Zwölfjährige. Er hätte zwei Jahre warten müssen, bevor er die Ehe vollziehen könnte. Als er von der Konkubine verlangte, ihm in den beiden Wartejahren auf die standesgemäße Ehe noch für sexuelle Dienste zur Verfügung zu stehen, verweigerte sie das. Von der Konkubine hatte er einen Sohn, dessen Namen er in seinen „Bekenntnissen“ nicht mitteilt und um den er sich offenbar nicht gekümmert hat.)
(4) Anton M. Fischer, Martin Heidegger - Der gottlose Priester. Psychogramm eines Denkers (2008) Heidegger theoretisierte seine innere (emotionale) Einsamkeit als Verkörperung überweltlicher Prinzipien. Seine Philosophie sei „ohne Liebe“, hat schon Karl Jaspers formuliert – in seiner Konstruktion der „Mitwelt“ in „Sein und Zeit“ gibt es keinen wirklichen Dialog mit dem Anderen.
(5) Michael Hesse, Flucht vor den Nazis: Als das Denken auszog (Frankfurter Rundschau 15.03.2023) https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/flucht-vor-den-nazis-als-das-denken-auszog-92147667.html Tugendhat betonte als Philosoph immer wieder, wie wichtig eine klare Sprache sei - das kann man nur als späte Kritik an Heideggers Jargon verstehen. Der Überblick über Heideggers Terminologie gibt übrigens keinen Aufschluss über die Bedeutsamkeit seines Denkens, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Terminologie_Heideggers
(6) Gustave Le Bon ist mit seinem in 1895 in Paris erschienenen Buch „Psychologie des foules“ neben Gabriel Tarde einer der Begründer der Massenpsychologie. Le Bon geht davon aus, dass menschliche Handlungen von unbewussten Impulsen beherrscht werden. „Allein durch die Tatsache, Glied einer Masse zu sein, steigt der Mensch mehrere Stufen von der Leiter der Kultur hinab.“ Le Bon beschäftigt besonders, dass „Massen sich für Überzeugungen und Ideen, die sie kaum verstanden, heldenhaft hinschlachten lassen“. Die Masse sei von Führern leicht zu lenken, die Le Bon als „Halbverrückte“ und „wahrhaft Überzeugte“ kennzeichnet.
(7) Helmut Plessner kritisierte 1924 hellsichtig den Radikalismus als „… die Überzeugung, daß wahrhaft Großes und Gutes nur aus bewusstem Rückgang auf die Wurzeln der Existenz entsteht; den Glauben an die Heilkraft der Extreme, die Methode, gegen alle traditionellen Werte und Kompromisse Front zu machen.“ Sozialer Radikalismus sei „… die geborene Weltanschauung der Ungeduldigen, soziologisch: der unteren Klassen“ Der Glaube an die Möglichkeit einer unvermittelten Beziehung zwischen Menschen sei „entweder völkisch oder internationalistisch“ und bedeute Verneinung von Gesellschaft. Erst Gesellschaft biete dem Menschen den nötigen Raum und Abstand zu anderen und sich selbst, von wo aus er sich immer wieder neu entwerfen und ausprobieren kann, formulierte Plessner 1924 in „Grenzen der Gemeinschaft“.
(8) Auszüge aus „Sein und Zeit“ (1927) zum „Man“ sind vielleicht ein schönes Beispiel für Rudolf Carnaps vernichtendes Urteil, bei Heideggers Wortschöpfungen handele es sich um für sinnfreien Blödsinn. Heidegger formulierte:
§ 27 Das alltägliche Selbstsein und das Man
Das ontologische relevante Ergebnis der herausragenden Analyse des Mitseins liegt in der Einsicht, dass der »Subjektcharakter« des eigenen Daseins und der Anderen sich existenzial bestimmt, das heißt aus gewissen Weisen zu sein. Im umweltlich Besorgten begegnen den Anderen als das, was sie sind; Sie sind das, was sie betreiben. Im Besorgen dessen, was man mit, für und gegen die Anderen ergriffen hat, ruht ständig die Sorge um einen zurückbleibend - im Verhältnis zu ihnen aufholen will, sei es, dass das Dasein im Vorrang über die Anderen darauf aus ist, sie niederzuhalten. Das Miteinandersein ist – ihm selbst verborgen – von der Sorge um diesen Abstand beunruhigt. Existenzial ausgedrückt, es hat den Charakter der Abständigkeit. Je unauffälliger diese Seinsart dem alltäglichen Dasein selbst ist, um so hartnäckiger und ursprünglicher wirkt sie sich aus. In dieser zum Mitsein gehörigen Abständigkeit liegt aber: das Dasein steht als alltägliches Mitein- andersein in der Botmäßigkeit der Anderen. Nicht es selbst ist, die Anderen haben ihm das Sein ab- genommen. Das Belieben der Anderen verfügt über die alltäglichen Seinsmöglichkeiten des Daseins. Diese Anderen sind dabei nicht bestimmte Andere. Im Gegenteil, jeder Andere kann sie vertreten. Entscheidend ist nur die unauffällige, vom Dasein als Mitsein unversehens schon übernommene Herrschaft der Anderen. Man selbst gehört zu den Anderen und verfestigt ihre Macht. »Die Anderen«, die man so nennt, um die eigene wesenhafte Zugehörigkeit zu ihnen zu verdecken, sind die, die im alltäglichen Miteinandersein zunächst und zumeist »da sind«. Das Wer ist nicht dieser und nicht jener, nicht man selbst und nicht einige und nicht die Summe Aller. Das »Wer« ist das Neutrum, das Man. Früher wurde gezeigt, wie je schon in der nächsten Umwelt die öffentliche »Umwelt« zuhanden und mitbesorgt ist. In der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, in der Verwendung des Nachrichtenwesens (Zeitung) ist jeder Andere wie der Andere. Dieses Miteinandersein löst das eigene Dasein völlig in der Seinsart „der Anderen“ auf, so zwar, dass die Anderen in ihrer Unterschiedlichkeit und Ausdrücklichkeit noch mehr verschwinden. In dieser Unauffälligkeit und Nichtfeststellbarkeit entfaltet sich das Man seine eigentliche Diktatur. Wir genießen und vergnügen uns, wie man genießt; wir lesen, sehen 127 und urteilen über Literatur und Kunst, wie man sieht und urteilt; wir ziehen uns aber auch vom »großen Haufen« zurück, wie man sich zurückzieht; wir finden »empörend«, was man empörend findet. Das Man, das kein bestimmtes ist und das Alle, obzwar nicht als Summe, sind, schreibt die Seinsart der Alltäglichkeit vor. Das Man hat selbst eigene Weisen zu sein. Die genannte Tendenz des Mitseins, die wir die Abständigkeit nannten, gründet darin, dass das Miteinandersein als solche die Durchschnittlichkeit besorgt. Sie ist ein existenzieller Charakter des Menschen. Dem Man geht es in seinem Sein wesentlich um sie. Deshalb hält es sich faktisch in der Durchschnittlichkeit dessen, was sich gehört, was man behaupten lässt und was nicht, dem man Erfolg zubilligt, dem man ihn versagt. Diese Durchschnittlichkeit in der Vorzeichnung dessen, was gewagt werden kann und darf, wacht über jede sich vordrängende Ausnahme. Jeder Vorrang wird geräuschlos unterdrückt. Alles Ursprüngliche ist über Nacht als längst bekannt geglättet. Alles Erkämpfte wird handlich. Jedes Geheimnis verliert seine Kraft. Die Sorge der Durchschnittlichkeit offenbart wieder eine wesenhafte Tendenz des Daseins, die wir die Einheit aller Seinsmöglichkeiten nennen. Abständigkeit, Durchschnittlichkeit, Einebnung konstituieren als Seinsweisen des Man das, was wir als »die Öffentlichkeit« kennen. Sie regelt zunächst alle Welt- und Daseinsauslegung und behält in allem Recht. Und das nicht auf Grund eines hervorragenden und primären Seinsverhältnisses zu den »Dingen«, nicht weil sie über eine ausdrücklich zugeeignete Durchsichtigkeit des Daseins verfügt, sondern auf Grund des Nichteingehens »auf die Sachen«, weil sie unempfindlich ist gegen alle Unterschiede des Niveaus und der Echtheit. Die Öffentlichkeit verdunkelt alles und gibt das so Verdeckte als das Bekannte und jedes Zugängliche aus. Das Man ist überall dabei, doch so, dass es sich auch schon immer davongeschlichen hat, wo das Dasein auf Entscheidung drängt. Weil das Man jedoch alle Urteile und Entscheidenden vorgibt, nimmt es dem jeweiligen Dasein die Verantwortlichkeit ab. Das Man kann es sich gleichsam leisten, dass „man“ sich ständig auf es beruft. Es kann am einfachsten alles verantworten, weil keiner es ist, der für etwas einzustehen braucht. Das Man »war« es immer und doch kann gesagt werden, »keiner« ist es gewesen. In der Alltäglichkeit des Daseins wird das meiste durch das, von dem wir sagen müssen, keiner war es. Das Man entlastet so das jeweilige Dasein in seiner Alltäglichkeit. Nicht nur das; mit dieser Seinsentlastung kommt das Man dem 128 Dasein entgegen, sofern in diesem die Tendenz zum Leichtnehmen und Leichtmachen liegt. Und weil das Man mit der Seinsentlastung dem jeweiligen Dasein ständig entgegenkommt, es behält und verfestigt es seine hartnäckige Herrschaft. Jeder ist der Andere und Keiner er selbst. Das Man, mit dem sich die Frage nach dem Wer des alltäglichen Daseins beantwortet hat, ist das Niemand, dem alles Dasein im Untereinandersein sich je schon ausgeliefert hat. In den herausgestellten Seinscharakteren des alltäglichen Untereinanderseins, Abständigkeit, Durchschnittlichkeit, Einebnung, Öffentlichkeit, Seinsentlastung und Entgegenkommen liegt die nächste »Ständigkeit« des Daseins. Diese Ständigkeit betrifft nicht die fortwährende Existenz von etwas, sondern die Seinsart des Daseins als Mitsein. In den genannten Modi waren das Selbst des eigenen Daseins und das Selbst des Anderen noch nicht gefunden bzw. verloren. Man ist in der Weise der Unselbständigkeit und Uneigentlichkeit. Diese Weise zu sein bedeutet keine Herabminderung der Faktizität des Daseins, so wenig wie das Man als das Niemand ein Nichts ist. Im Gegenteil, in dieser Seinsart ist das Dasein ein ens realissimum, falls »Realität« als daseinsmäßige Sein verstanden wird. Allerdings ist das Man so vorhanden wie das Dasein überhaupt. Je offensichtlicher sich das Man gebärdet, ähm so unfaßlicher unter versteckt ist es, um so weniger ist es aber auch nichts. Dem unvoreingenommenen ontisch-ontologischen »Sehen« offenbart es sich als das »realste Subjekt« der Alltäglichkeit. Und wenn es nicht zugänglich ist wie ein vorhandener Stein, dann entscheidet das nicht im mindesten über seine Seinsart. Man darf weder Vorschnell dekretieren, dieses Man Ist „eigentlich“ Nichts, noch der Meinung huldigen, das Phänomen sei ontologisch interpretiert, wenn man es etwa als nachträglich zusammengeschlossenes Resultat des Zusammenvorhandenseins mehrerer Subjekte „erklärt“. Vielmehr muss sich umgekehrt die Ausarbeitung der Seinsbegriffe nach diesen unabweisbaren Phänomenen richten. Das Man ist auch nicht so etwas wie ein »allgemeines Subjekt«, das über mehrere schwebt. Zu dieser Auffassung kann es nur kommen, wenn das Sein der „Subjekte“ nicht daseinsmäßig verstanden wird und diese als tatsächliche Fälle einer vorkommenden Gattung angesetzt werden. Bei diesem Ansatz besteht ontologisch nur die Möglichkeit, alles was nicht Fall ist, im Sinne der Kunst und Gattung zu verstehen. Das Man ist nicht die Gattung des jeweiligen 129 Dasein und es lässt sich auch nicht als bleibende Beschaffenheit an diesem Seienden vorfinden. Daß auch die traditionelle Logik angesichts dieser Phänomene versagt, kann nicht verwundern, wenn bedacht wird, daß sie ihr Fundament in einer überdies noch rohen Ontologie des Vorhandenen hat. Daher ist sie durch noch so viele Verbesserungen und Erweiterungen grundsätzlich nicht geschmeidiger zu machen. Diese »geisteswissenschaftlich« orientierten Reformen der Logik steigern nur die ontologische Verwirrung. Der Mensch ist ein Existenzial und gehört als ursprüngliches Phänomen zur positiven Verfassung des Daseins. Es hat selbst wieder verschiedene Möglichkeiten seiner daseinsmäßigen Konkretion. Eindringlichkeit und Ausdrücklichkeit seiner Herrschaft können geschichtlich wechseln. Das Selbst des alltäglichen Daseins ist das Man-selbst, das wir von dem eigentlichen, das heißt eigens angenommenen Selbst unterscheiden. Als Man-selbst ist das jeweilige Dasein im Man zerstreut und muss sich erst finden. Diese Zerstreuung charakterisiert das „Subjekt“ der Seinsart, die wir als das besorgende Aufgehen in der nächsten begegnenden Welt kennen lernen. Wenn das Dasein ihm selbst als Man-selbst vertraut ist, dann besagt das zugleich, dass das Man die nächste Auslegung der Welt und des In-der-Welt-seins vorzeichnet. Das Man selbst, worum-willen das Dasein alltäglich ist, artikuliert den Verweisungszusammenhang der Bedeutsamkeit. Die Welt des Daseins gibt das begegnende Seiende auf eine Bewandtnisganzheit frei, die dem Menschen vertraut ist, und in den Grenzen, die mit der Durchschnittlichkeit des Menschen festgelegt sind. Zunächst ist das faktische Dasein in der durchschnittlich entdeckten Mitwelt. Zunächst »bin« nicht »ich« im Sinne des eigenen Selbst, sondern die Anderen in der Weise des Menschen. Aus diesem her und als dieses werde ich mir »selbst« zunächst »gegeben«. Zunächst ist das Dasein Man und zumeist bleibt es so. Wenn das Dasein die Welt eigens entdeckt und sich ihm nahebringt, wenn es ihm selbst sein eigentliches Sein erschließt, dann vollzieht sich dieses Entdecken von „Welt“ und Erschließen von Dasein immer als Wegräumen der Verdeckungen und Verdunkelungen, als Zerbrechen der Verstellungen, mit denen sich das Dasein gegen es selbst abriegelt. Mit der Interpretation des Mitseins und des Selbstseins im Menschen ist die Frage nach dem Wer der Alltäglichkeit des Miteinanderseins beantwortet. Diese Betrachtungen haben zugleich ein konkretes Verständnis der Grundverfassung des Daseins erbracht. Das In-der-Welt-sein wurde in seiner Alltäglichkeit und Durchschnittlichkeit sichtbar. 130 Das alltägliche Dasein schöpft die vorontologische Auslegung seines Seins aus der nächsten Seinsart des Menschen. Die ontologische Interpretation folgt zunächst dieser Auslegungstendenz, sie versteht das Dasein aus der Welt her und findet es als innerweltlich Seiendes vor. Nicht nur das; auch den Sinn des Seins, danach seienden »Subjekte« verstanden werden, lässt sich die »nächste« Ontologie des Daseins aus der »Welt« vorgeben. Weil aber in diesem Aufgehen in der Welt das Weltphänomen selbst übersprungen wird, tritt an seine Stelle das innerweltlich Vorhandene, die Dinge. Das Sein des Seienden, das mit-da-ist, wird als Vorhandenheit bezeichnet. So ermöglicht der Aufweis des positiven Phänomens des nächstalltäglichen In-der-Welt-seins die Einsicht in die Wurzel der Verfehlung der ontologischen Interpretation dieser Seinsverfassung. Sie selbst in ihrer alltäglichen Seinsart ist es, die sich zunächst verfehlt und verdeckt. Wenn schon das Sein des alltäglichen Miteinanderseins, das sich scheinbar ontologisch der reinen Vorhandenheit nähert, von dieser grundsätzlich verschieden ist, dann wird das Sein des eigentlichen Selbst noch weniger als Vorhandenheit begriffen werden können. Das eigentliche Selbstsein beruht nicht auf einem vom Menschen abgelösten Ausnahmezustand des Subjekts, sondern ist eine existenzielle Modifikation des Menschen als eines wesenhaften Existenzials. Die Selbigkeit des eigentlich existierenden Selbst ist aber dann ontologisch durch eine Kluft getrennt von der Identität des in der Erlebnismannigfaltigkeit sich durchhaltenden Ich. Online: https://heidegger.ru/wp-content/uploads/2019/11/2-SEIN-UND-ZEIT.pdf Oder aus: SEIN UND ZEIT (Elfte, unveränderte Auflage 1967) https://studfile.net/preview/2231143/page:8/
(9) Martin Buber ich und Du (1923)
(10) „Die Wissenschaft denkt nicht.“ Martin Heidegger in: „Was heißt Denken?“, Vortrag aus dem Jahr 1952, Bayerischer Rundfunk, online: https://www.youtube.com/watch?v=rQnQefONxM0
(11) Walter Biemel, Hans Saner (Hrsg.): Martin Heidegger, Karl Jaspers: Briefwechsel 1920–1963. Frankfurt am Main 1992, S. 257.
(12) In Davos standen 1929 die Protagonisten sich ausschließender Denkwelten und Lebensformen gegenüber: Ernst Cassirer, der Repräsentant liberaler Weimarer Kultur, auch einzelwissenschaftlich argumentierend im Geiste des deutsch-jüdischen Intellektualismus, und auf der anderen Seite Martin Heidegger, der Provinz verhaftet und in der griechischen Philosophie Argumente dafür suchend, mit expressionistischem Sprachgestus. Hier der Jude, dem 1933 das Exil aufgezwungen werden sollte, dort der antisemitische Universitätsrektor von Nazis Gnaden. ausführlich dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Davoser_Disputation
(13) Das Fragment 53 lautet in deutscher Übertragung:
„Krieg ist Vater aller Dinge, aller Dinge König. Die einen macht er zu Göttern, die andern zu Menschen, die einen zu Sklaven, die anderen zu Freien.”
zu Heraklit siehe http://www.zeno.org/Philosophie/M/Heraklit+aus+Ephesus/Fragmente/Aus%3A+%C3%9Cber+die+Natur https://de.m.wikipedia.org/wiki/Heraklit#Fragment_53
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