Klaus Wolschner  Texte zur Geschichte und Theorie von Medien & Gesellschaft

Über den Autor

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III
Medien
-Theorie

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Notizen zu

Leo Strauss (1899-1973)

2023

Leo Strauss, 1899 als Sohn des Getreidehändlers Hugo Strauß und dessen Ehefrau Josephine David geboren, wuchs einem kleinen Städtchen in Hessen mit damals etwa 2.400 Einwohnern in einem konservativ-jüdischen Elternhaus auf. Er selbst erzählt seine Geschichte aus seiner Jugend, um seine Beshäftigung mit der ‚jüdischen Frage‘ zu erklären:

    „Ich war vielleicht fünf oder sechs Jahre alt, in einer sehr kleinen deutschen Stadt, eher in einem Dorf, als ich in meinem Vaterhaus Flüchtlinge aus Russland sah, die nach einigen Pogromen auf ihrem Weg nach Australien waren. Zu dieser Zeit hätte das nicht in Deutschland geschehen können. Wir Juden lebten in einem umfassenden Frieden mit unseren nichtjüdischen Nachbarn. Doch die Geschichte mit den Pogromen in Russland machte einen tiefen Eindruck auf mich, den ich bis heute nicht vergessen habe."

Auf die Frage nach seiner Nation betonte Strauss 1931, er sei „Jude und nicht Deutscher.“

1921 hatte er bei Ernst Cassirer in Hamburg promoviert. In Marburg studierte er danach bei Edmund Husserl und Martin Heidegger. Noch vor Beginn der Nazi-Diktatur ging er mit einem Rockefeller-Stipendium (Gutachter: Carl Schmitt) zunächst nach Paris. 1944 wurde er US-amerikanischer Staatsbürger. In die Bundesrepublik Deutschland reiste Strauss nur ein einziges Mal: 1954 besuchte er in Heidelberg Löwith und Gadamer und hielt dort einen Vortrag über Sokrates.

Philosophie

Den „Offenbarungsglaube“ betrachtete er als die existenzielle Herausforderung für die Philosophie. Für Strauss vermag die Vernunft allein das theologisch-politische Problem nicht zu lösen; jeder Versuch verfängt sich im Relativismus, den er scharf zurückwies.

Strauss macht die Aufklärung und den Liberalismus für den Niedergang des Philosophierens verantwortlich und fordert eine Rückbesinnung zur antiken platonisch-sokratischen Philosophie. Seine Leitmetapher lautete: Die Aufklärung hat nicht „mehr Licht“ gebracht, sondern das Denken in eine „zweite Höhle“, einen Keller unterhalb der platonischen Höhle geführt, aus dem es sich erst wieder in die „erste Höhle“ hinaufarbeiten müsse. Im Anschluss an Carl Schmitts Begriff des Politischen propagierte Strauss die Überwindung der Moderne. Er war ein scharfer Kritiker des „Historismus“, also der Auffassung von der Geschichtlichkeit alles Denkens. Leo Strauss war Jude und bekennender Zionist.

Strauss kritisierte Max Webers Forderung einer werturteilsfreien Wissenschaft als „edlen Nihilismus“. betonte unter Berufung auf das Naturrecht die naturgegebene Ungleichheit der Menschen. Von Spinoza übernahm er die Überzeugung, dass ein philosophisches Leben nur wenigen vorbehalten sei, während die Masse den Halt der Religion benötige, die Ruhe und Ordnung gewährleisten müsse. Daher gebe es ein Recht der Vernünftigen, die Masse zu belügen und Mythen zu erfinden. Die Eliten eines Gemeinwesens dürften den Menschen vorschreiben, wie sie zu leben hätten, sie dürften sie nach Strauss auch belügen. Philosophie ohne Anspruch auf zeitlose Wahrheit verkomme zum Nihilismus.

In seinen späteren Jahren befasste er sich mit der antiken griechischen Philosophie und grenzte sich mit seinem Offenbarungsglauben von der Idee eines selbstbestimmten philosophischen Lebens ohne jede Autorität ab. Seine schroffe Alternative lautete: „Menschliche Führung oder göttliche Führung - ein Drittes gibt es nicht."

Politisches Denken

1932 hatte Strauss den Aufsatz: Anmerkungen zu Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen veröffentlicht. Die Nähe seines Denkens und seines geistigen Ziehvaters Heidegger zum Nationalsozialismus irritierte ihn offenbar nicht. Dass er „ausgerechnet die Opfer des Nationalsozialismus (u.a. Ernst Cassirer) zu den Verantwortlichen für das Scheitern der Demokratie von Weimar erklärt, dies bildet „den eigentlichen Skandal seines politischen Philosophierens“, bemerkt Stephan Steiner kritisch zu Strauss.

In den USA beschäftigte er sich mit dem amerikanischen politischen Denken. 1958 erschienen sein Buch Thoughts on Machiavelli. Strauss hält es für einen Grundirrtum der Aufklärung, die Religion mittels eines Ratio- oder Vernunftbegriffs „bewältigen“ zu können. Die Natur des Menschen erfordere Ordnung, Herrschaft und Gesetz, der unhinterfragte Gehorsam der Bürger gegenüber dem Staat dürfe nicht durch die Berufung auf Individualität und Pluralismus unterlaufen werden.

Auf dem Hintergrund seiner Erfahrungen mit der Weimarer Republik formulierte er, dem Liberalismus gehe es letztendlich „nur“ um Wohlstandshedonismus, also um Sicherheit, Wohlstand, Eigentum und freie wirtschaftliche wie wissenschaftliche Entfaltung der Bürger, nicht aber um die Frage nach dem richtigen Leben.

Seiner Ansicht konnte die moderne „liberale“ Politikwissenschaft den Aufstieg des Nationalsozialismus und auch des Kommunismus nicht verstehen. Nationalsozialismus wie Kommunismus waren für ihn als Produkte der Hybris der Moderne. Das begründet Strauss allerdings nicht in einer historischen Beschäftigung etwa mit der Genese der NS-Ideologie, die ja auch eine Kritik der Moderne ist . Es gibt von ihm keine konkreten Aussagen über den Nationalsozialismus. Zur Suche nach Wahrheit flüchtet er sich in die antike Philosophie und die jüdische  Religionsphilosophie.

Strauss’ Denkschule hatte einen bedeutenden Einfluss auf die amerikanischen Neokonservativen.

 

    Lit.:  
    Stephan Steiner, Weimar in Amerika: Leo Strauss' Politische Philosophie (Diss. 2012, 2013)
    Heinrich Meier, Carl Schmitt, Leo Strauss und „Der Begriff des Politischen": zu einem Dialog unter Abwesenden (3. Aufl. 2013)
    Heinr
    ich Meier, Politische Philosophie und die Herausforderung der Offenbarungsreligion (2013)