Vorsicht Kinder II:
Frühkindliche Erziehung und Persönlichkeitsbildung
2013
In den ersten (drei bis sechs) Lebensjahren eines Menschenkindes bilden sich spielerisch-lernend die emotionalen und kulturellen Grundlagen der Persönlichkeit heraus. Die frühen emotionalen Bindungserfahrungen sind grundlegend für die Persönlichkeitsentwicklung des heranwachsenden Kindes, in den ersten Lebensjahren bilden sich die für Lernen wesentlichen Charakterstrukturen der Neugier, des Vertrauens in andere und in die eigenen Fähigkeiten heraus.
Die Fähigkeit der emotionalen Kontrolle ist eine entscheidende Voraussetzung für erfolgreiches Lernen. Bei der Fähigkeit zur Emotionsregulation geht es um die Frage, wie weit Kinder eine verzögert verabreichte attraktivere Belohnung abwarten können anstatt eine weniger attraktive Belohnung sofort zu wählen. Diese Fähigkeit ist wichtig sowohl für die kognitive wie für die emotionale Entwicklung.
Gerhard Roth fasst die Bedeutung der Persönlichkeit so zusammen:
„Die Art wie wir lernen und lehren, wird von unserer Persönlichkeit bestimmt, genauer vom Ausmaß an Neugier und Interesse, Selbstvertrauen und Vertrauen in die eigenen Kräfte, Fähigkeit zur Regulation unserer Gefühle und Impulskontrolle, Geduld, Aufmerksamkeit, Fähigkeit zum Vertrauen in andere, Kooperativität, Realitätssinn gegenüber eigenem Handeln und natürlich von Intelligenz und Motivation.“
Diese weichenstellende frühkindliche Entwicklungsphase wird aber weitgehend der Intuition der Mütter überlassen – und dann im besseren Fall dem „Kindergarten“ unter der fachlichen Anleitung schlecht ausgebildeter und schlecht bezahlter Erzieherinnen.
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Luther fügte an: „Die Occasio grüsset dich, als sollte sie sagen: Sieh, da hast du mich, ergreife mich.“ Das „nimmermehr“ ist sicherlich falsch, Lernen wird mit zunehmendem Alter nicht unmöglich, aber mühsamer. Richtig ist: Es gibt frühkindliche sensible Phasen (occasio!) sowohl für die emotionale wie für die kognitive Entwicklung. Die Bemühungen der Pädagogen konzentrieren sich aber darauf, das zu optimieren, sich in der frühkindlichen Phase suboptimal herausgebildet wurde. „Durch inadäquate Förderung während dieser Entwicklungsphasen entstandene Defizite sind nach Ablauf der sensiblen Phasen nur noch bedingt korrigierbar, dies gilt sowohl für die Hirnentwicklung als auch für den Lernprozeß.“ (Scheich)
Die alte Frühpädagogik ist getrieben von der Sorge, das kindliche Gehirn könnte in seinen Entwicklungsphasen überfordert werden. Wichtiger wäre die Sorge, dass es gelangweilt, demotiviert, und dadurch unterfordert wird. Natürlich kann ein dreijähriges Kind nicht schreiben lernen. Aber die Gelegenheiten, Schriftbilder zu sehen, Wort- und Sprachspiele zu spielen und über den Inhalt zu sprechen, erleichtern später den Schriftsprachen-Erwerb.
1 Frühpädagogik - wie Kinder lernen
3 Vorsicht Bildschirm - Kinder brauchen medienfreie Zonen
4 Gute Schule - was Schule gut machen könnte
Literatur: Henning Scheich: „Biologische Randbedingungen optimalen Lernens: Die Rolle von Erfolg und Misserfolg", Vortrag vor dem Hanse Wissenschaftskolleg 8. März 2002 Gerhard Roth: Bildung braucht Persönlichkeit, Stuttgart 2011 Gerhard Roth: Lehrerakademie. Wie lernen gelingt (2010)
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