Klaus Wolschner                     Texte zur Geschichte und Theorie von Medien & Gesellschaft

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Texte zur  Kommunikation
von Religion

 

Konstantin und die Instrumentalisierung
der Kirche für die kaiserliche Staatsmacht

2012

Wir nun haben uns mit dem Schwerte Cäsars gegürtet”
Dostojewskijs Großinquisitor

Der Aufstieg des Christentums zur Staatsreligion im 4. Jahrhundert steht in direkten Zusammenhang mit der Entfaltung eines theokratischen Kaiserkultes aus legitimatorischen Gründen. Die Sakralisierung war ein Stabilisierungsversuch, der Kaiser sollte als Werkzeug göttlichen Willens weniger angreifbar sein als ein nur zivil legitimierter Kaiser.
Die Kirche nutzte diese imperiale Politik
im Sinne des „do ut des“, des Gebens und Nehmens, im Interesse eigener Machtentwicklung. Der Kirchenhistoriker Eusebius, Bischof von Caesarea,  pries die Kaiserherrschaft als „Erfüllung der Weltgeschichte”.

Diokletian trug als erster römischer Kaiser das Diadem, den alten griechischen Kopfschmuck der Götter, die Strahlenkrone des Sonnengottes.  Konstantin trug diese Diamantenkrone beim Konzil von Nicäa 325 auch. Als Reaktion auf die Krise des Kaisertums im 3. Jahrhunderts war das  Bemühen erkennbar, die Figur des Kaisers unter die Wahl und den Schutz einer Gottheit zu stellen. So wurde ein Schutzverhältnis zwischen Jupiter und Diocletian beschworen, zwischen Hercules und Maximian sowie seinem Caesar Constantius.

Konstantin (306-337) war ein Usurpator, vom Heer seines Vaters zum Kaiser ernannt. Elf Familienangehörige mussten auf dem Wege zu seiner Alleinherrschaft sterben. Er konnte sich nicht durch bestehende Institutionen legitimieren und verwies auf höhere göttliche Instanzen. Schon 309 ist dies zu beobachten: In Gallien ließ Konstantin eine Münze mit dem Sol invictus prägen. Er favorisierte den Sonnengott als Staatsgottheit. Die Sol-Symbolik schien ihm zum damaligen Zeitpunkt offenbar geeignet, seine Herrschaft nach außen hin zu legitimieren. 

Dass Konstantin in den Jahren nach 312 auch auf das Christentum setzte, war vorbereitet. Galerius, der wie Diokletian zuvor auch auf die Christenverfolgung gesetzt hatte, erließ 311 kurz vor seinem Tod ein  Toleranzedikt, da er seine Verfolgungspolitik für gescheitert erachtete.
Im Jahr 313 erneuerten Konstantin und Licinius dies
e Politik in der  Mailänder Vereinbarung: Der Christengott soll mit den paganen Göttern gleichbehandelt werden, den Christen wurden konfiszierte Kirchengüter zurückerstattet.

Nach der religionspolitischen Wende hin zum Christentum ab 312 verschwand Sol aber nicht aus der imperialen Repräsentation Konstantins. In den Jahren nach 312 ließ Konstantin bei weitem mehr Münzen mit der Sol invictus-Symbolik prägen als solche mit christlicher Symbolik. In dieser Zeit waren nur ca. 15 Prozent der Bevölkerung des römischen Reiches christlich – es war keineswegs historisch zwingend, auf das Christentum zu setzen. Erst in Zeiten der staatlichen Protektion nahm die Zahl der Christen deutlich zu. Die neuen Mitglieder brachten allerdings ihre alten Überzeugungen mit in die Kirche.
Firmicus Maternus verfasste noch 336 ein Gebet für Konstantin, das mit einer Anrufung des Sol begann. Noch nach Konstantins Tod (337) wurde eine Konsekrationsmünze geprägt, die Konstantin zeigt, wie er in einen Mantel gehüllt mit ausgestreckter rechter Hand auf einer Quadriga in den Himmel fährt, aus dem ihm die „dextera die“ entgegengestreckt wird. Christlich uminterpretiert wird an die Himmelfahrt des Elias erinnert. Die Quadriga als Sonnenwagen war aber ein wesentliches Attribut des Sonnengottes Sol, für zeitgenössische Betrachter der Münze muss die erste Assoziation der Sol invictus gewesen sein.

„Der Sol invictus hatte ab nun nicht mehr die Funktion, die Göttlichkeit des Kaisers zu begründen, sondern er war gleichsam zu einem Attribut des Kaisertums geworden.“ (Leeb) Für den paganen Teil der Bevölkerung bewegte sich Konstantin vermutlich im Großen und Ganzen durchaus noch in traditionellen Bahnen.

Dabei war der Sonnen-Kult auch für die Christen noch am ehesten zu akzeptieren. In der Alten Kirche war die Vorstellung von Christus als Sol salutis durchaus verbreitet. Eusebius berichtet über eine Zeremonie des Kaisers am Ostermorgen – Konstantin erschient mit der aufgehenden Sonne vor dem Palast und ahmt er den auferstehenden Christus nach. Konstantin nahm Christus wie den Sol salutis für die imperiale Repräsentation in Anspruch.

Die Vision von der Milvischen Brücke - nicht nur Kirchenhistoriker, auch etwa Klaus M. Girardet sieht darin ein persönliches Bekehrungserlebnis des Kaisers und die Erklärung für die “konstantinische Wende”  - ist wahrscheinlich eine nachträglich formulierte Legende.

Im Kampf um die Oberherrschaft im Westen des Römischen Reiches hatte Konstantin 312 an der Milvischen Brücke bei Rom einen überraschenden Sieg über seinen Konkurrenten Maxentius errungen. Maxentius galt als Beschützer der römischen Traditionen. Die Konstantinforschung hat sich lange mit den Berichten über Konstantins "Bekehrung" und seinen Sieg über Maxentius bei der Milvischen Brücke 312 vor Rom befasst.  Angeblich hatte Konstantin eine Christus-Vision, mit der seine Bekehrung begründet wird.  

Rudolf Leeb hat die historischen Dokumente dazu zeitlich geordnet interpretiert und kann so die Entstehung der Legende nachzeichnen:

Die früheste Stellungnahme zu den Ereignissen, die die Meinung des Kaisers und seiner Umgebung spiegelt, ist ein Redetext eines heidnischen Autors (313). Er findet in seiner Rede als Erklärung für Konstantins überraschenden Sieg das besondere Verhältnis Konstantins zur „Gottheit" bzw. zum göttlichen Numen, wobei er diesen Gott nicht näher bezeichnet. In Konstantin habe bei seiner Entscheidung dieses göttliche Numen eingewohnt.
Im Jahre 310 war in einer Festrede ausführlich von einer Vision in einem gallischen Tempel die Rede gewesen. Konstantin habe einen Apollotempel besucht, ihm sei  der Sonnengott Sol-Apollo erschienen. Konstantin wird hier während der Vision sogar zum Abbild des Sol-Apollo. Aus dieser Ähnlichkeit leitet die Rede den Anspruch Konstantins auf die Weltherrschaft ab: Mit dem Auftreten Konstantins beginnt die Herrschaft Apollos, also das goldene Zeitalter. Der Kaiser erhält die Züge eines messianischen Herrschers.  Dieser Visionsbericht erinnert an ein Visionserlebnis Aurelians.
Auch Aurelian begegnete im Tempel des Sonnengottes einer Gestalt des Numens.  Auch der spätere Bericht des christlichen Historikers Eusebius erwähnt keine Vision, kein göttliches Versprechen, er weiß von keiner göttlichen Einwohnung.
Erst Laktanz, der sich dieser Zeit als Erzieher von Konstantins ältestem Sohn Crispus am Hof Konstantins in Trier tätig war, weiß in seinem Bericht „De mortibus persecutorum" (314/5) von einem Traum Konstantins, in dem der aufgefordert wird, das Zeichen Christi auf die Schilde seiner Soldaten anbringen zu lassen. 314/5 ist Konstantin schon – im Unterschied zu 313 – „unverhohlen christlich aufgetreten“ (Leeb).  
In einer späteren Festrede von Nazarius kommen Konstantin während der Schlacht himmlische Heerscharen zu Hilfe, die auf göttliches Geheiß deshalb eingreifen. Eine Vision oder ein Traum werden nicht erwähnt.
Der spätere Bericht des Eusebius, nach Konstantins Tod geschrieben, betont, dass der Autor seine Informationen von Konstantin persönlich und unter eidlicher Bekräftigung erhalten habe. Dort wird von Eusebius eine himmlische Erscheinung beschrieben, die Vision eines himmlischen Zeichens. Dieses Zeichen ist ein Siegeskreuz aus Licht gebildet, das über der Sonne erscheint. „Deutlich wird hier das Kreuz über der Sonne als solare Erscheinung gekennzeichnet und zugleich als Siegeszeichen interpretiert. Christi Leidenswerkzeug und Sol werden hier an entscheidender Stelle von Konstantin selbst in einen engen Zusammenhang gebracht.“ (Leeb) Das göttliche Siegeszeichen besteht aus dem Lichtkreuz und Sol. Konstantin verwendete in seiner Spätzeit als Alleinherrscher wieder verstärkt Elemente der Sol-Symbolik.

Der Kaiser als der Christus-ähnliche Herr der Kirche

Schon Kaiser Diokletian berief sich als Gesetzgeber direkt auf den Willen der Götter, denen er sich unterstellt hätte. „Der christusähnliche Herrscher Konstantin wird damit zur irdischen Verkörperung des himmlischen Gesetzgebers Christus. Seine die Kirche mahnende Stimme ist gleichsam die Stimme Christi.“ (Leeb) Konstantins Integration der christlichen Symbolik in seine Kaiserdarstellung hat die einheitliche Gottesverehrung zum Ziel, die das Wohl des Staates garantieren sollte. Es ging ihm um die Eintracht und Einheit der Kirche, aus der die Wohlfahrt des Staates erwächst: Als christusähnlicher Herrscher spricht er mit der Autorität des Gesetzgebers Christus. Der römische Kaiser war als pontifex maximus  verantwortlich für die Vollziehung der religiösen Kulte.

Konstantin als Herrscher über die Kirche im Donatistenstreit

Schon im Donatistenstreit beauftragte Konstantin den römischen Bischof mit der Klärung des Falles. Auf Anordnung des Kaisers übte eine kirchliche Versammlung die staatliche Gerichtsbarkeit aus. Da die Donatisten mit dem Ergebnis dieses Verfahrens unzufrieden waren, wurde im Jahr darauf 314 eine Synode in Arles einberufen. Der Kaiser befahl die Bischöfe zur Synode, er setzte Veranstaltungsort, Zeitpunkt und auch die Verhandlungsgegenstände fest. Der Kaiser selbst erklärte die Synode schließlich für beendet und erlaubte den Bischöfen die Heimreise.

Der Kaiser hat 313 die Oberherrschaft über die Kirche bereits übernommen.  „Nirgendwo finden sich in den Quellen Hinweise für politischen bzw. institutionellen Widerstand innerhalb der Kirche gegenüber dem Kaiser.“ (Leeb)

Der Kaiser führt den Sonntag als  Feiertag des Sol invictus ein

Feste sind wiederkehrende Gelegenheiten identitätsstiftender Gemeinschaftserlebnisse. Konstantin entzog mit dem Verbot der blutigen Opfer dem antiken Festwesen einen wichtigen Bereich und entwickelte zum Ersatz den christliche Jahresrhythmus mit seinen Feiertagen und Gedächtnisfesten. Der Geburtstag des 'Unbesiegten Sonnengottes“ zur Wintersonnenwende am 25. Dezember erschien im Festkalender als Geburtstag Jesu. 321 erklärte Konstantin den „dies solis“, den Feiertag des Sol invictus als „verehrungswürdiger Tag der Sonne" zum öffentlichen Ruhetag.

Kaiserliche Festlegung des Ostertermins

Auch in der umstrittenen Osterterminfrage war das dominierende Eingreifen wie das theologische Argumentieren des Kaisers (auf dem Konzil von Nicäa) evident. Der bei Eusebius überlieferte Brief Konstantins an die Gemeinden stellt die Notwendigkeit einer reichseinheitlichen Osterfeier heraus. Eusebius erläutert in „De vita Constantini“ Konstantins theologische Begründung – den Hinweis auf die Juden als Christus-Mörder: „Als erstes schien es uns unwürdig zu sein, jenes aller heiligste Fest auszuführen, indem man der Sitte der Juden folgt, die ihre eigenen Hände durch gottlosen Irrtum verunreinigt haben und darum zu Recht als Verbrecher mit Blindheit an der Seele geschlagen sind... Es ist daher passend, wenn wir die Praktiken dieses Volkes zurückweisen und in aller Zukunft das Begehen dieses Festes auf eine legitimere Art feiern. Lasst uns also nichts gemeinsam haben mit diesem äußerst feindlichen Pöbel der Juden.“
Es ist schon verwunderlich, wie hier ein christlicher Bischof übersieht, dass der römische Imperator, dessen Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen haben, mit dem Verweis auf die Juden sich selbst und seine Staatstradition als vollkommen unbeteiligt und unschuldig dazustellen sucht.

Die christliche Feiertags-Politik des Kaisers ist eine Adaption des pagan-römischen Gedankens auch der Vorgänger Konstantins, dass nämlich die „pax deorurn” die „salus publica” sichere.

Nicäa – die Unterwerfung der Bischöfe unter den Kaiser (325) 

Das Konzil von Nicäa ist ein Beispiel dafür, wie der Kaiser in seinem Verständnis als von Gott eingesetztes und beauftragtes Herrschaftsorgan der Kirche es als seine Aufgabe betrachtet, im Interesse der Wohlfahrt des Staates theologische Streitigkeiten, den Arianer-Streit, regelrecht zu beseitigen.

Konstantin griff an einem wichtigen Punkt in Lehrentscheidungen massiv ein, er arbeitete mit Drohungen und der Ankündigungen von Repressalien. Jeder Bischof wurde einzeln vorgenommen. Ihm wurde das neue Bekenntnis vorgelegt und er wird zugleich vor die Alternative gestellt, entweder zu unterschreiben oder in die Verbannung zu gehen. Das waren keine leeren Drohungen: Arius wurde am Ende in die Verbannung geschickt.

In Nicäa haben die Bischöfe – der ohnehin wenig bedeutungsvolle Bischof Silvester von Rom war gar nicht erst nicht gekommen - die formelle Unterwerfung unter den Kaiser geleistet. In Nicäa wurde auch die Kirchenorganisation an die Organisation des Reiches angepasst. Die in Nicäa gefassten Beschlüsse wurden Reichsgesetz, das Dreieinigkeits-Dogma war damit Gesetz, seine Leugnung wurde mit staatlicher Macht verfolgt. (ausführlicher siehe Nicäa - wie Jesus Gott wird, Link)

Das Christentum als Staatsmachts-Religion (seit 390)

Indem der Kaiser die Konzilsbeschlüsse ratifizierte und wie kaiserliche Gesetze behandelte, denen die Reichsbürger zu gehorchen hatten, übernahm er auch die Verpflichtung, die sich Widersetzenden der weltlichen Gerichtsbarkeit zuzuführen. Insbesondere seit Kaiser Theodosius das Christentum 390/391 zur „Staatsreligion“ erklärt hatte, führte der christliche Exklusivitätsgedanke dazu, dass pagane und auch „häretische“ christliche Strömungen auf oft brutale Weise unterdrückt  werden, alte Außenseiter wie die Juden werden mit dem zusätzlichen Stigma der 'Gottesmörder' (Augustinus) versehen.
Kaiser Justinian führte um 545/6 die gesetzliche Pflicht zur Kindstaufe ein, die Nichtbeachtung wurde mit dem Verlust von Eigentum und Bürgerrecht bedroht, das Festhalten am „hellenischen“ Glauben bzw. die Apostasie nach der Taufe mit der Todesstrafe. Damit wurde das Christentum vom Kaiser als Volksreligion durchgesetzt - da nun jeder Reichsbewohner bereits als Kind getauft werden musste und ein Abfall vom Christentum als Verbrechen galt.

Die enge Verbindung von Kirche und Staat wird ein prägendes Merkmal für die weitere Kirchengeschichte. Anstelle der eher antistaatlichen Predigt des Jesus von Nazareth, dem die fehlende Subordination unter die staatliche Symbolik zum Vorwurf gemacht wurde, tritt für mehr als 1000 Jahre ein Staatskirchentum, im dem unter dem Motto „cuius regio eius religio“ die Kirche sich zum Instrument staatlicher Interessen machen lässt. In Europa beendet erst die Aufklärung diesen Zustand, für die russische orthodoxe Kirche, die Konstantin als Heiligen verehrt, gilt er noch heute.

 

    Literatur-Tipps:
    Rudolf Leeb:
    Konstantin und Christus - Die Verchristlichung der imperialen Repräsentation unter Konstantin dem Großen als Spiegel seiner Kirchenpolitik und seines Selbstverständnisses als christlicher Kaiser (1992)
    Rolf Bergmeier: Das Konzil von Nicäa (325) und Konstantin der Große - Wie Jesus zum Gott wurde  (Forschungsarbeit, 2011)
    Alexander Demandt
    Durch Mord zum Heil, Spiegel   Heft 1-2009  Link
    Peter Brown:
    Autorität und Heiligkeit - Aspekte der Christianisierung des Römischen Reiches (1993)